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Ein grünes Kleid fürs Haus

06/29/2023 Judith Supper, Journalistin

Kletterpflanzen können triste Hauswände in bunte Minibiotope verwandeln – und gleichzeitig Kosten wie auch Wartungsaufwand reduzieren.

Singapur macht es vor. Damit die Stadt lebenswerter wird und um den Herausforderungen des Klimawandels zu begegnen, verwandelt die Regierung die Millionenmetropole konsequent in eine «Garden City». Vor allem das Begrünen von Dächern und Hausfassaden steht dabei im Fokus.

Vertikal zu begrünen, hat Vorteile. «Fassadengrün erfüllt ein riesiges Spektrum an Funktionen», erklärt Erich Steiner, Geschäftsführer der Schweizerischen Fachvereinigung Gebäudebegrünung SFG. Zwar sei bei einer begrünten Fassade mit höheren Unterhaltskosten zu rechnen. Doch demgegenüber stünden die Einsparungen. «Fassadengrün wirkt isolierend, man kann bei richtiger Planung auf Kühlung verzichten oder minimiert wenigstens die Kühlkosten und den Energieverbrauch. An der Fassade ist weniger Wartung vorzunehmen, da sie durch den grünen Mantel geschützt ist. Fassadengrün reduziert Lärm, hält UV- Strahlung, Hagel und Schlagregen ab und kühlt die Städte dank Verdunstung im Sommer.»

Die Sorge ist unbegründet

Um ein Gebäude vertikal zu begrünen, gibt es zwei Lösungen. Bei der klassischen Variante wurzeln die Kletterpflanzen im Boden und erobern nach und nach die Hausfassade – aber es können auch Obstspaliere oder herunterhängende Topfpflanzen sein. Fassadengebundene Systeme kennt man als «Green Walls» auch im Innenbereich. Hier bildet der Begrünungsaufbau selbst die Fassade.

Fassadengrün reduziert Lärm, hält UV-Strahlung, Hagel und Schlagregen ab und kühlt die Städte dank Verdunstung im Sommer.

Am einfachsten und preisgünstigsten sind Pflanzen, die mittels Haftwurzeln oder -scheiben die Fläche bewachsen. Aber manche Hausbesitzer sind gegenüber Efeu oder Wildem Wein skeptisch, aus Angst, sie könnten das Mauerwerk beschädigen. «Das ist zu einem gewissen Mass richtig», bestätigt der Landschaftsarchitekt. «Die Haftkraft der Ranken ist so gross, dass beim Ablösen Teile der Fassade mitabgerissen werden können. Auch nach starkem Niederschlag sind die Pflanzen manchmal so schwer, dass sie mitsamt Aussenputz umstürzen.» Das geschieht aber nur, wenn Planungsfehler vorliegen. «Pflanzen wie Efeu und Wilder Wein dürfen nur einschalige Konstruktionen mit geschlossenen Fugen und einer intakten Aussenhülle bewachsen, beispielsweise Betonwände.»

Jede Fassade ist begrünbar

Gerüstkletterpflanzen wie Waldrebe oder Geissblatt besitzen keine Haftwurzeln. Daher benötigen sie eine Kletterhilfe – was die Bepflanzung aufwendiger macht und mit höheren Kosten verbunden ist. Allerdings lässt sich ihr Wachstum gezielter lenken, und es steht eine breitere Auswahl an Pflanzen zur Verfügung. Gemäss Steiner müsse man sich fragen: Was ist mein gestalterisches Ziel? Was für eine Art Fassade habe ich, und wie lässt sich die Begrünung montieren? Welche Arten von Kletterhilfen und welche Montagesysteme gibt es überhaupt? Dazu brauche es planerische Unterstützung. «Jede Fassade ist begrünbar, auch jene mit Aussendämmung», versichert der Fachmann. Da sei es einfach etwas kniffliger.

Mehr Artenvielfalt und Wohlbefinden

Wie positiv sich begrünte Städte auf die physische und psychische Gesundheit des Menschen auswirken, belegen zahlreiche Studien. Ausserdem sind sie immens wertvoll für die Fauna. Grüne Fassaden bieten Lebensraum für eine ganze Reihe von Insekten und Vögeln. Efeu ist wegen der späten Blütezeit eine wichtige Insektennahrung. Und im Winter ernähren sich unter anderem Stare und Amseln von den Früchten.

Seit Dezember 2021 fördert die Stadt Zürich Vertikalbegrünungen. Dabei erhalten private Grundeigentümerschaften, deren Liegenschaft sich in der Stadt Zürich befindet, für neue Vertikalbegrünungen einen einmaligen Beitrag. Er beläuft sich auf maximal 50 Prozent der Kosten, der Höchstbetrag liegt bei 30 000 Franken. «Diese positive Entwicklung ist bisher einmalig in der Schweiz», sagt Steiner. Vielleicht nicht mehr lange. Aktuell ist der Normentwurf «SIA 2066 Freiräume nachhaltig planen, bauen und pflegen», an dem der SFG mitgearbeitet hat, in der Vernehmlassung. Er behandelt Freiräume im Siedlungsgebiet und definiert Kriterien und Anforderungen für eine nachhaltige Siedlungsentwicklung. Darin festgehalten: die Förderung von Fassadengrün.   

Die Kosten für Spannseilsysteme variieren stark. Doch bei einer Standardausführung an einer über zwei Stockwerke reichenden Holzoder Betonfassade ist auszugehen von:

  • 4-mm-Stahlseil, pro Laufmeter 2 Franken;
  • Endbefestigung je 10 Franken;
  • Aufgeschraubte Wandhalterung oben / unten für 18 Franken pro Stück;
  • Je nach Windeinwirkung wird alle 3 Meter in der Vertikalen ein weiterer Wandhalter empfohlen
  • Der Arbeitsaufwand des Experten – drei Bohrungen mit 3 Dübeln und Seil spannen – liegt im Durchschnitt bei 30 bis 45 Minuten ( Stundenlohn 100 Franken).

Fürs Installieren der Spannseile ist ein Gerüst Bedingung. Quelle Jakob AG, Trubschachen

  • Selbstklimmer wie Efeu, Kletterhortensie, Trompetenblume oder Wilder Wein erobern dank Haftscheiben bzw. -wurzeln selbstständig die Fassade.
  • Spreizklimmer wie Kletterrosen, Winterjasmin oder Brombeeren bewegen sich mithilfe oft stacheliger Triebe nach oben und benötigen ein Gerüst, an dem sie festgebunden werden.
  • Schlinger / Winder wie Blauregen, Schlingknöterich, Pfeifenwinde, Akebie, Kiwi und Einjährige wie Trichter- und Bohnenwinden wickeln sich mit ihren Sprossen und Trieben spiralförmig um die Klettervorrichtung.
  • Ranker wie Waldrebe oder Weinrebe halten sich mit Blattteilen oder Seitensprossen fest. Als Kletterhilfen bevorzugen sie Gitterkonstruktionen.